Auch der Gelegenheitskiffer braucht seinen Dealer

taz nr. 5335 vom 20.09.1997 seite 3

nichts ist langweiliger als private gespraeche ueber drogen, denn fuer die freigabe ist eh jeder normale. doch die legalisierung muss sein, weil es sonst stets nur die trifft, die das risiko tragen

die mittelstaendische hanfindustrie ist "in". alle paar monate gibt es in allen moeglichen orten irgendwelche, gern von den zustaendigen landesregierungen unterstuetzte hanfkongresse und -messen. ueber den sympathisch immer wieder nachwachsenden rohstoff berichten laengst nicht mehr nur linksalternative medien.

 hanfprodukte sind schick, cannabia-bier gibt es inzwischen auch im eher proletarischen berliner strandbad am wannsee, und in den naechsten jahren wird sicher auch ein superumweltvertraeglicher mercedes mit huebschem cannabisblattlogo fuer die nachwachsende generation eingefuehrt.

 das ist alles sicher sehr zu begruessen und auch schoen. ein bisschen aergert man sich nur darueber, dass sich die mittelstaendische hanfverarbeitende industrie so haeufig von dem rauschgift zu distanzieren muessen meint (so sie nicht im haschrauch- oder marihuana- pflanzbegleitenden sektor taetig ist, was dann ja keinen sinn machen wuerde). damit will man nix zu tun haben, kommt nicht in die tuete, vom deutschen hanf muesse man schon ein paar zentner wegrauchen, um was zu merken, heisst es oft witzelnd, was logischerweise ziemlicher unsinn ist. da wuerde einem naemlich ganz schoen schlecht werden.

 als das hanfbusiness sich vor ein paar jahren zu etablieren begann, meinten viele kritisch, es ginge den hanflobbyisten gar nicht so sehr um die hehre umweltvertraegliche produktion von diesem und jenem, sondern in wirklichkeit und vor allem um den legalen rausch.

 schoen waer's. in wirklichkeit distanzieren sich viele hanfgenossen tatsaechlich sehr glaubhaft von ihren losen haschbruedern. waehrend es ihnen um die rettung der welt geht ("die zukunft wird gruen oder nicht sein"), ginge es den konsumenten der rauschdroge ja nur um partikulaere, private, also zu vernachlaessigende belange. (haschfreunde, die dann sektenmaessig wie jack herer hysterisch gegen alkohol und nikotin wettern, lassen wir mal beiseite).

 selbst unter kiffenden kollegen hoert man oft, die forderung nach einer legalisierung von haschisch sei ueberfluessig, unpolitisch, vielleicht auch schaedlich. "man nimmt halt ab und an drogen, fertig, da braucht man nicht weiter drueber zu reden", findet eine tv-kollegin, die sich mit wichtigeren dingen beschaeftigt. im privaten mag das richtig sein, gespraeche ueber drogen sind das langweiligste, was es gibt, weil eh jeder normale fuer freigabe ist. ein kritischer taz-kollege meinte, den etwa 30.000 besuchern, die bei der berliner hanfparade mitte august fuer die legalisierung der droge demonstrierten, ginge es ja nur um das unbeschaedigte idyll. die welt, welt sein lassen, sich legal dummkiffen...

 hardliner klaus-ruediger landowsky, geschaeftsfuehrer der berliner cdu-fraktion, fand es auch nicht weiter schlimm, dass sich nach schaetzungen der polizei etwa ein drittel der love-parade-besucher die birne mit ecstasy und hasch vollgestopft hatten. in seiner jugend haette er ja auch gern mit captagon die naechte durchgetanzt, meinte er zum ehemaligen haschrebellen bommi baumann, der inzwischen besorgt ist ueber die zunahme des rauschgiftkonsums.

 ein bisschen erinnert das alles an die alte unterscheidung vom haupt- und nebenwiderspruch. das heisst, jedes politische oder gesellschaftliche engagement unterhalb der hehren arbeit fuer die weltrevolution ist ueberfluessig bis kontraproduktiv. das sagen dann die gern, die nicht von den nebenwiderspruechen betroffen sind.

 natuerlich lassen sich die meisten der etwa fuenf millionen kiffer in deutschland nicht vom cannabisverbot stoeren (genausowenig wie die kokainisten in den oberen etagen der gesellschaft und in den medien). in vielen berliner kneipen und cafes, in der bundesbahn und in diskotheken sowieso, wird mittlerweile offen geraucht. haschbrueder sitzen mittlerweile in allen institutionen: im hamburger finanzamt, im berliner bezirksamt, in gerichten, parteien, als lehrer an der schule und so weiter und so fort.

 und irgendwie kommt es einem auch selber ein bisschen bloedsinnig vor, wenn sich leute wegen haschbesitzes selbst anzeigen. koennen doch auch so kiffen, denkt man dann asozialerweise, und wer sich mit haschisch erwischen laesst, muss schon unglaublich dumm sein.

 als sei es gerecht, wenn's die dummen dann trifft. oder die dealer. viele meinen ja, sie haetten als gelegenheitskonsumenten nun ueberhaupt nichts mit dem durchaus auch risikoreichen haschischhandel zu tun, als braeuchte nicht auch der gelegenheitskiffer seinen dealer. oder die gesetze treffen dann eben die dummen migranten, die an oeffentlichen orten hasch verkaufen. ueberfluessig und langweilig, noch einmal die argumente zur freigabe aufzuzaehlen. die mittelstaendische hanfindustrie hat gefaelligst fuer die legalisierung einzutreten. einige taten das ja dankenswerterweise auch bei der ueberaus wunderschoenen hanfparade.

detlef kuhlbrodt

bemerkung: hanf-spezial